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Das Märchen von Spotify und den Fakestreams

Es ist mittlerweile über ein Jahr her, dass das Manipulieren von Streamingzahlen durch eine Reportage zur breiten Masse hervorgedrungen ist. Dieses „Problem“ ist seit längerem in der Musikindustrie bekannt und dort eine Mischung aus Normalität und Unmoral.
Auch ich wusste bereits von der Möglichkeit, Streams zu manipulieren, schon bevor dieser „Skandal“ die große Runde gemacht hat. Für mich war es irgendwie komplett normal und logisch, dass bei Streamingdiensten, bei denen täglich safe hunderttausend neue Songs und Alben released werden, nicht alles mit rechten Dingen laufen kann. Das halbe Leben besteht aus Betrug, also wieso nicht auch beim Musikstreaming?
Mich überraschte, dass so viele davon entsetzt beziehungsweise überrascht sind, dass nicht alle Streams und Aufrufe auf YouTube, Spotify und co. von echten Zuhörern stammen. Dass man Likes auf Instagram kaufen kann, weiß ja schließlich auch jeder.

Wie werden Streams überhaupt gefaked?

Bei Spotify ist das ganze scheiße einfach, deshalb beziehe ich mich in diesem Text überwiegend auf Spotify.
Das ganze klingt hart einfach. Ist es auch. Alles, was man braucht, ist ein spezielles Programm, welches man im ganz normalen Internet kaufen kann. Man muss also nicht mal im Darknet oder so danach suchen. Dieses Programm kostet, soweit ich weiß, zwischen $200 und $400 pro Jahr. Hat man das Programm installiert, muss man nur noch eine Excel-Datei, welche massenhaft Spotifykonten beinhaltet, in das Programm laden. Bevor man mit dem Botten, also dem Faken von Streams beginnt, muss man noch die Spotify-URL des Songs oder Albums einfügen und die Anzahl der Fakestreams angeben. Den Rest macht das Programm. Die Spotifykonten aus der Excel-Datei sind meist gehackte Konten von echten Nutzern, damit das ganze so unauffällig wie möglich ist. Solche Dateien kann man im Darknet kaufen, wenn man die richtigen Connections hat, das ist keine große Kunst.

Aber wieso macht Spotify nix dagegen?

Spotify kündigt alle ein bis zwei Jahre immer an, eine Großrazzia in Bezug auf unechte Streams vorzunehmen. Wirklich passieren tut aber nie was. Es kommt sogar noch krasser, aber dazu gleich mehr.
Weshalb Spotify nix gegen Fakestreams unternimmt, versteh’ ich nicht so wirklich. Durch das Verhindern von Fakestreams würde sich der Dienst krank viele Gebühren an Right Societies, wie GEMA, ASCAP oder HFA, sparen. Denn wenn ein Künstler beispielsweise bei der GEMA Mitglied ist, dann geht pro Stream nochmal eine geringe Gebühr an die GEMA und anschließend den Künstler. Wenn also weniger Streams generiert werden, dann sind solche Gebühren natürlich auch geringer.
Dass Spotify aber keinen einzigen Fick darauf gibt, hat mir die Plattform höchstpersönlich gezeigt: Ich habe mich mal bei Spotify per E-Mail gemeldet, dass Künstler XY seine Streams komplett offensichtlich und nachweislich fälscht. Mir wurde zwar versichert, dass mein Hinweis an die entsprechende Abteilung weitergeleitet werden würde, die Streams sind aber bis heute – über ein halbes Jahr später – immer noch nicht entfernt worden.

Mich hat mal ein Künstler gefragt, ob es Apple Music merken würde, wenn er seine Songs über Nacht auf Dauerschleife laufen lässt. Damals hatte ich ihm geantwortet, dass ich mir dabei nicht sicher bin. Heute würde ich ihn darauf hinweisen, dass er das bei Spotify problemlos tun kann.